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Hinter den Buchstaben – Die mit A.

Wer bin ich und was mache ich hier eigentlich?

Das ist eine gute Frage.

Als ich klein war, habe ich Kinderbücher von Cornelia Funke verschlungen. Ich saß als wildes Huhn mit Staubfinger in den Tintenherz-Büchern fest, habe mich in die Gassen von Venedig geträumt und bin auf Drachen geritten. In meinem Bücherregal haben Jim Knopf, Pipi Langstrumpf und Pünktchen und Anton gemeinsam zu Abend gegessen. Und irgendwann hat mich auch Hogwarts in seinen Bann gezogen – und zum Glück nie wieder losgelassen.

Mittlerweile faszinieren mich nicht nur die Geschichten, sondern vor allem die Kunst der Autoren: Wie sie es schaffen, eigene Welten zu erschaffen. Eigene Regeln, eigene Kreaturen und Wesen. Und diese Welten ziehen Menschen in ihren Bann, lenken sie vom Alltag ab. Bücher waren für mich ein Rückzugsort. Wann immer es Streit zuhause gab – und das war nicht selten – konnte ich zu Hogwarts zurückkehren. Oder in den Hühnerstall bei Oma Slättberg. Da hat es nicht lang gedauert, bis ich selbst angefangen habe zu schreiben. Notizbücher füllten sich und verloren sich wieder. Und auch ich verlor mich – in Familienzwisten, der Schule und den ersten Liebeleien.

Das Schreiben verlor ich zwar, aber meine Bücherregale füllten sich weiter. Nach der Schule das Studium. Sprachwissenschaften und Literatur. Goethe, Mann und Schiller sind nicht meine Inspirationen – wenn sie auch die deutschsprachige Literatur prägten. Mich prägten andere Welten. Pipi Langstrumpf ist immer noch wahnsinnig schön, mittlerweile stehen Tolkien, Dan Brown, Stephen King und Co. aber auch im Bücherregal. Anders als gedacht hat mich das Studium an sich aber nicht zum Schreiben inspiriert. Erst durch meine Arbeit als Texterin habe ich diese kleine Quelle, die schon lange wiederentdeckt werden wollte, fließen lassen. Und seitdem wird sie zu einem See: egal, ob ich über Sicherheitsschuhe, Online-Marketing oder meine Motivation zu Schreiben schreibe.

Was ich genau schreiben möchte, das weiß ich noch nicht. Kolumnen, gesellschaftskritische Texte. Das ist zur Zeit mein Ding. Ich habe den Anspruch an mich selber: Wenn ich ein ganzes Buch schreiben möchten, dann muss die Idee richtig gut sein. Ich würde gerne Welten erschaffen, Hunde wie Drachen fliegen lassen und Seelenverwandte zueinander führen. Vielleicht ein Krimi? Wie sieht die perfekte Leiche aus? Welches Motiv wäre zu genial, zu undurchschaubar? Bisher ist bei keinem Gedanken der Funke übergesprungen. Doch schreiben möchte ich den Rest meines Lebens. Das weiß ich – selbst bei dieser kleinen Aufgabe hier, bringe ich mehr aufs Papier als ich sollte.

„Lügen auf Instagram und schlechte Psychopharmaka“

Bei Passmann geht es um Politik, Gesellschaftskritik und „alte weiße Männer“. Auf den ersten Blick wirkt die Autorin und Journalistin so, als könnte ihr nichts und niemand zu nahe kommen. In dem neuen Buch über Frank Ocean kommt dagegen eine ganz andere Seite zum Vorschein: die der psychisch kranken jungen Frau und ihre Beziehung zur Musik. 

Sophie Passmann. Ein kurzer Bob mit Pony, etwas strubbelige Haare und stets einen frechen Spruch auf den Lippen. Ihr Instagram-Profil besteht aus Selfies, Buch- und Weinempfehlungen: „Für mich bitte nur die Weinkarte“. Andere wollen ihre Follower von Beautyprodukten und teurer Kleidung überzeugen, Passmann steht zu Ihrer Riesling-Leidenschaft. Nicht nur das: sie erklärt ihren Followern Hartz4 und diskutiert über politische Themen, allen voran der Feminismus. 

Alte weiße Männer und die Feministin

Das Bild das sie ausstrahlt ist das einer starken, selbstbewussten Frau. Ob auf ihren Profilen im Internet, ihr Auftreten in Talkshows oder auch ihre Standpunkte in Ihrem Buch „Alte weiße Männer“: Sophie Passmann wirkt stets gut vorbereitet und selbstbewusst. Sie diskutiert mit 15 Männern über die Charakterisierung des typischen alten weißen Mannes und schluckt dabei jegliche Meinungen: egal, ob es ehrlich gemeinte Unterstützung des Feminismus, oder die schockierende Ansicht von Rainer Langhans ist. Aber zieht sich dieses starke Bild wirklich komplett durch die 25-jährige, oder steckt tief in ihr noch etwas anderes?

„Ich habe oft übers Sterben nachgedacht. Ich hatte keine Angst davor – ich habe es mir eher gewünscht.“ 

Auf der Beerdigung von Passmann soll kein Pastor ewig lange reden, der sie ohnehin nicht kannte. Stattdessen soll das komplette Album „Blonde“ von Frank Ocean laufen. Und die Leute, die behaupten sie zu lieben, müssen ausharren und zuhören. In dem Buch „Frank Ocean“ (erschienen im Kiwi-Verlag 2019) zeigt die junge Journalistin plötzlich eine eher unerwartete Seite: noch nicht die Art Feministin, die sie heute ist. 

„Ich starrte mein Handy an und überlegte, ob ich es überhaupt verdient hätte, jetzt die neue Musik von Frank Ocean zu hören.“

Passmann schreibt von der Traurigkeit, die schon fast ihr ganzes Leben da war. Von Wochen, in denen sie den ganzen Tag nur im Bett liegen wollte. Leere. Dunkelheit. Lähmung. Selbsthass. Medikamente. Hoffnung. Eine Depression sei gut zu händeln, solange man so wenig wie möglich lebt. Ist gut weg zu ignorieren, mit den richtigen Medikamenten, sagt sie. Das ist vielleicht nicht der beste Rat an Menschen mit Depressionen, Passmann liefert aber einen anderen Aufhänger: Frank Ocean. 

„Er hat die Hintergrundmusik zu meinem Unglück geliefert“. Dabei könnten Ocean und Passmann sich optisch nicht mehr voneinander unterscheiden. Stille Wasser sind tief, wenn es um Passmann geht sind auch die feministischen tief. In der Neuerscheinung zeigt sie die Seiten ihrer manischen Depression, die man ihr so gar nicht ansehen würde. Der Musiker Frank Ocean ist für sie ein steter Begleiter einer schwierigen Zeit. Mit jedem Song des Albums „Blonde“ verbindet die Autorin einen Akt ihres persönlichen Dramas. Welche Abschnitte das sind, beschreibt sie so tiefgehend wie möglich. Zu tiefgehend? 

„Man findet immer Stellen an mir, die man kritisieren kann“ sagt Passmann. Mit ihrem Hosen herunterlassen bietet sie Angriffsfläche. So unterstellt ihr der Schweizer Journalist Roger Schawinski in seiner Talkshow, es sei nicht richtig, als ein so psychisch kranker Mensch anderen die Welt erklären zu wollen. Von der Leere und dem Selbsthass ist in dem Moment in Passmanns Mimik nichts zu sehen. Natürlich kann sie das: „Trotzdem bin ich geeignet, Ihnen die Welt zu erklären. Wenn man die Krankheit angeht, ist das kein Problem“.

Das war 2016. Was ist heute?

In „Frank Ocean“ geht es nicht nur um tiefsinnige Depression, sondern auch um’s Heute. Heute ist bei der Feministin „alles unverschämt gut“. Eine Hochphase der manischen Depression oder die Realität? Das weiß nur Passmann selbst – wenn überhaupt. Mittlerweile schreibt sie regelmäßig eine Kolumne für das ZEITMagazin, hat eine eigene Sendung beim Radio-Sender 1LIVE und spricht in einem Podcast über gutes und schlechtes Fernsehen.

In ihrer Art Kurzbiografie hat sie sich nackt gezeigt. Ihr neuestes Selfie auf Instagram trägt die Caption „Benutze 2020 keine Filter mehr, weil ich will, dass Leute nicht negativ überrascht sind, wenn sie mich in echt sehen“. 

Während ich diesen Beitrag recherchiert und geschrieben habe, habe ich mir das Album „Blonde“ von Frank Ocean angemacht. Auch wenn es nicht mein Geschmack ist – beim Lesen ihrer Leere fühle ich mich gleich in meine eigenen depressiven Phasen gezogen. Ich erkenne mich selbst wieder. Eins kann niemand leugnen: Ihre politischen Ansichten, ihre feministischen Argumentationen, ihre Spiegelselfies und ihre Depression – Passmann ist echt, ohne Hasenohren und Filter. Was im ersten Moment nach leichter Musik-Lektüre scheint, ist tief drinnen überraschend ähnlich wie Sophie: depressiv, aber beeindruckend stark.

Die juten Sitten

Goldene Zwanziger. Dreckige Wahrheiten.

Wenn Huren die Wahrheit sagen, müssen Freier schlucken

Dieses Zitat sagt doch schon alles, oder? Dieses Hörspiel hat es meiner Meinung nach in sich. Der Einstieg ist weder zaghaft noch langsam: Du schaltest auf PLAY und steckst sofort in einem Hurenhaus im Berlin der 20er Jahre – um genau zu sein: in der „Ritze“.

Sobald man die Puffmutti Minna kennenlernt, schließt man sie ins Herz. Der erste Moment, um sich in diesem Puff für die nächsten achteinhalb Stunden wohl und beschützt zu fühlen (dass ich das mal schreiben würde…). Die beste Voraussetzung, um den Schäferstündchen, Skandalen, Korruptionen und Co. zu lauschen und in eine für mich noch völlig unbekannte – aber durchaus faszinierende – Welt einzutauchen. Und das, obwohl die Handlung aus dem Gefängnis heraus erzählt wird. Denn das Ganze wird von Hedi erzählt, die als Kind in ebendiesem Puff gelebt hat.

Die Autorin Anna Basener nimmt kein Blatt vor den Mund und lässt Edin Hasanovic, Saskia Rosendahl und Co. in die verschiedensten Charaktere schlüpfen. Die Domina, das junge Mädchen und der Gigolo. Und die schließt man nur allzu schnell ins Herz (naja, den Gigolo eigentlich nicht, aber die Stimme von Hasanovic schon).

Zunächst könnte man denken, es geht lediglich um das tägliche Geschehen in der Ritze. Ich habe einige Momente gewartet, worauf das Ganze zusteuert. Einen Peak, ein Höhepunkt. Was ist der Hintergrund? Und ich wurde nicht enttäuscht. Denn es steckt mehr dahinter, als Freier und korrupte Polizisten. Anders als man denkt, sind die Personen nicht oberflächlich dargestellt, sondern auch ihre Schwächen werden allzu gut beleuchtet. Vor Drogensucht, Missbrauch und dem Kinderheim macht die Autorin keinen Halt. So geht es in dem Hurenhaus drunter und drüber. Und die Geschehnisse spitzen sich immer mehr zu – bis am Ende die Bombe platzt.

Und dann? Dann ist es einfach vorbei. Es gibt zwar ein Ende mit Auflösung – aber ich hätte den Stimmen am liebsten noch viel länger gelauscht. Lange war ich kein Fan von Hörspielserien und Co. So viele Stimmen, da kommt man leicht durcheinander, man muss die ganze Zeit aufpassen etc. Für dieses Hörspiel definitiv keine Ausrede! Mit Spannung lauschte ich und hätte gerne auf ein Revival der Ritzen-Bewohner gehofft. Ein klasse Hörspiel, dass man nebenbei hört. Bis man merkt, dass man nicht nebenbei ist, sondern mittendrin.

Das Labyrinth des Fauns

Dass wir unser Schicksal dadurch bestimmen, welchen Weg wir im Labyrinth des Lebens wählen und für welche Werte und Ziele wir einstehen. Dass wir Opfer in Kauf nehmen müssen, um wahre Menschlichkeit zu beweisen. Und dass es nicht immer richtig ist, zu gehorchen.

Das hat die Autorin Cornelia Funke der „Brigitte“ gesagt.

Und dieses Zitat trifft den Nagel auf den Kopf. Das Labyrinth des Fauns ist ein Buch, dass Grausamkeit zeigt – und gleichzeitig Freundschaft. Hass und Verbundenheit. Und das alles in einer packenden Geschichte.

Aber jetzt von Anfang an. Noch nie hatte ich ein Buch gelesen, dass erst nach dem Film erschienen ist. Eigentlich basieren die Filme meist auf Büchern, statt andersherum. Schon immer bin ich ein riesiger Cornelia Funke Fan und habe mit Staubfinger am Feuer gesessen. Und auch als vermeintlich Erwachsene kann ich ihre Bücher über Drachen, Räuber in Venedig und wilde Hühner immer noch verschlingen – ohne mich dabei alt zu fühlen. Deshalb war ich besonders auf dieses Buch gespannt. Den Film von Guillermo del Toro hatte ich nicht gesehen – das bleiche Monster, das die Augen in den Händen trägt, war mir einfach eine Spur zu grausig. In einem Buch spielt die Vorstellungskraft immer noch ein bisschen mehr nach den eigenen Regeln.

Kurz zum Buch: Die Geschichte rankt sich rund um das Leben des jungen Mädchens Ofelia. Gemeinsam mit ihrer Mutter zieht sie in der Stationierung ihres Stiefvaters ein. Der macht einen ganz und gar nicht netten Eindruck. Nach ihrer Ankunft entdeckt sie (verbotenerweise) den Wald, der das Grundstück umgibt. In ihm gehen magische, mythische Dinge vor sich, die Ofelia in den Bann ziehen. Unter anderem wartet dort ein Faun auf sie, der sie vor ungeahnte Herausforderungen stellt.

Das Labyrinth des Fauns war etwas anderes, als man erwartet, wenn man an Cornelia Funkes Bücher denkt. In den meisten Geschichten geht es um fabelhafte Wesen – im positiven Sinne. Magie. Das kann Funke. Und auch hier bringt sie die Umgebung so zauberhaft rüber, dass man direkt dort sein möchte und das Drumherum auf dem Gut des Stiefvaters vergisst. Dabei ist gerade das der Aspekt, der das Buch grausam macht. Denn die Charaktere und Geschehnisse verdeutlichen das, was zu der Zeit wirklich passiert ist.

Das Buch war wie gesagt etwas ganz anderes, als ich von Cornelia Funke gewohnt war. Erst dachte ich das im Negativen. Dann fiel mir auf, wie gut das aber eigentlich war. Das Leben geht nicht nur um schillernde Magie, tolle Freundschaften und zauberhafte Geschichte. Es gibt eben auch die anderen Seiten. Und eben deshalb ist es eine Bereicherung, dass sie auch darüber schreibt. Und da kommt das Zitat von Cornelia Funke ins Spiel. Besser hätte man es nicht sagen können.

Manchmal ist es einfach richtig, nicht zu gehorchen.

Aber was Gutes wird passiern

Eigentlich ist jetzt genau die richtige Zeit, etwas zu beginnen, was man sonst vor sich hergeschoben hat. Weil wir Zeit haben.

Und genau so ist es auch. Obwohl ich glücklicherweise noch Arbeit habe, bin ich mehr zuhause, als im letzten halben Jahr zusammengerechnet. Eine Fahrt in die Stadt – mal eben hier etwas kaufen, kurz zu dm (als ob…), und dann dieses und jenes. Oft sind wir unterwegs, nehmen uns viel vor, vielleicht zu viel. Dabei gibt es so viele Dinge, von denen wir immer mal wieder sagen „Wenn ich mal Zeit hab…“. Jetzt können sich einige von uns die Zeit nehmen. Am Wochenende geht’s nicht ins Restaurant oder in den Club.
Was brennt in Deiner Seele, Deinen Fingern, Deinem Kopf? Wolltest Du schon immer mal Thailändisch lernen? Hast Du schon lange eine Idee für ein schönes Bild im Kopf? Geht Dir die Farbe von der Schlafzimmertapete schon länger auf den Zeiger? Lass es raus! Lass etwas Gutes passieren – in Dir, um Dich herum, bei anderen 💞. Tu es! Und mach Dir keine Gedanken drüber, was andere davon vielleicht denken – zu Denken gibt gerade schon genug🤔. Ich höre jetzt Bosse, und schreibe drauf los. Und du?

Das Zitat ist aus dem Lied „So oder so“ von Bosse ☺️

„Denn dein Glück geht Tanzen, 
dein Glück kommt Heim
Dinge gehen, Dinge bleiben
Ist nicht gesund, Kampf um Kampf
Weil du es grad nicht ändern kannst

Das Leben beißt, das Leben küsst

Aber was Gutes wird passieren
Und wenn es gut ist, bleibt’s bei dir
Jede Liebe wird irgendwann ans Licht kommen.  Lass es ans Licht kommen.“